Über mich

To be or not to be free(lancing)

Als Kind war einer meiner ersten Traumberufe Chefin zu sein. Chefin von was? Unklar, hauptsache Chefin, weil in den Serien es immer die CEOs sind, die in teuren Läden nicht auf den Preisschild gucken müssen. Nun spulen wir paar Jahre vor und mit voller Stolz kann ich heute sagen, dass ich Chefin (von mir selbst) bin und beim Einkaufen (im Discounter) auch nicht mehr so auf Preisschilder gucke (meistens).

Der Schritt in die Selbstständigkeit war ehrlicherweise nicht immer Teil meines Lebensplans; nicht, dass ich etwaigen Plan vom Leben hätte, aber bis vor dieser Entscheidung habe ich mein Dasein als Angestellte nicht hinterfragt. Wie die meisten nahm ich es hin, jeden Monat ein Nettoeinkommen zu beziehen und sich dann darüber zu beschweren, dass so wenig Netto vom Brutto übrig bleibt und das 12 mal im Jahr, bis zur Rente. Und eigentlich war das auch ganz angenehm so, denn da wusste man immerhin wo man am Monatsende mit dem Geld stand und hatte so gut wie nie was mit dem Finanzamt zu tun. Denn statt sich einmal im Monat sich über die Diskrepanz zwischen Brutto und Netto zu ärgern, kann man das als Selbstständige nun jeden Tag machen, bei jeder Rechnung und jeder Zahlung.

Aber ich schweife ab. Mein Weg in die imaginäre Chefetage war der Wunsch nach mehr Selbstbestimmung. Zu sagen können, nein, mache ich nicht. Ja, mache ich, aber nur für drei Monate. Oder ich mache gar nichts für paar Monate, kann mich keiner stoppen – außer meine steigende Nervosität, die die fehlenden Zahlungseingänge auf meinem Bankkonto schwitzend beäugt.

Und wenn wir kurz realistisch sind, dann gibt es sowas wie Selbstbestimmung in der freien Wirtschaft nicht, denn am Ende des Tages hechelt man jedem Euro hinterher. Klar würde ich gerne 4 Tage die Woche arbeiten, aber ich kriege es meiner Chefin nicht vertickt, dass sie mit 20% weniger Umsatz rechnen soll. Ich habe es gerade noch geschafft, sie davon zu überzeugen, nicht auch noch abends nach mindestens 8 bereits geleisteten Stunden oder am Wochenende zu arbeiten.

Es ist kein einfacher Balance-Akt und hat anfangs wahrscheinlich die Entstehung der Falten auf meiner Stirn beschleunigt, aber glücklicherweise konnte ich mich als Mitarbeiterin durchsetzen und Grenzen aufziehen. Mittlerweile ziehe ich meine Kraft und Entspannung aus der Philosophie des Daoismus, welche ich jedem ans Herzen legen kann, der viel Zeit mit Doomscrolling verbringt und über nicht eingetretene Albtraum-Szenarien Schlaf verliert. Ich hatte zu viel Respekt vor jeder Institution und jedem Prozess, und war immer besorgt, dass ich mit jeder ungewohnten Entscheidung einen Fehler begehe. Aber was kann mir schon realistisch passieren? Solange ich immer mit bestem Gewissen nach den besten Vorsätzen und mit gesundem Menschenverstand handle, dann wird das in meinen Taten und Absichten reflektiert sein und keine Grundlage hergeben für andere Ergebnisse.

Heute würde ich zu meinem Kind-Ich sagen, ich habe unseren Traum erfüllt. Vielleicht nicht in der Größenordnung wie du es dir anfangs vorgestellt hast, aber dafür viel glücklicher. Und du wirst mir mit der Zeit zustimmen, dass das alles ist, was du eigentlich wirklich wolltest.